Test Suzuki DR 650 R
Nachdem Suzuki mit der DR Big 800 S in der Klasse der Super-Enduros und mit der DR 650 RS in der Touren-Klasse vertreten ist, soll nun die DR 650 R Dakar auch die hartgesottenen Sportler zufriedenstellen. Auf den ersten Blick jedenfalls traut man der Suzuki durchaus große Sprünge zu. Bei genauerem Hinsehen allerdings zeigt sich eine verblüffende Ähnlichkeit mit der DR 650 RS (siehe Vergleichstest MOTORRAD 8/1990), die abseits befestigter Wege keine Meisterleistungen vollbringt. Läßt man Tank Sitzbank und Kunststoffanbauteile außer acht könnte es sich ebensogut um die RS-Version handeln. Lediglich der einzelne voluminöse Auspufftopf anstelle der zwei wohlgeformten Schalldämpfer der RS fällt ins Auge.
Das Triebwerk ein luft-/ölgekühlter Einzylinder mit obenliegender Nockenwelle und vier Ventilen, ist identisch mit dem in der DR ebenso wie der unterdruckgesteuerte Vergaser ein Mikuni-SIingshot mit
40 Millimetern Durchlaß. Das bereits von anderen Modellen bekannte Suzuki Advanced Cooling-Svstem unterstützt auch hier die Luftkühlung. Thermisch hoch belastete Regionen im Zylinderkopf werden gezielt mit Öl angespritzt und die Temperatur über den links vor dem Motor sitzenden Ölkühler abgeführt. Auch das Fahrwerk der DR 650 R bietet nichts Neues. Erstaunlicherweise ist der Standrohrdurchmesser der Gabe! mit 39 Millimetern um zwei Millimeter kleiner als bei der Tourer RS und nicht auf dem Stand moderner Enduro-Technik. Einstellungsmöglichkeiten von Zug- oder Druckstufe sucht man an Gabel und hinterem Federbein vergeblich. Lediglich über zwei Ventile in der oberen Gabelstopfen läßt sich die Gabel mit Luft füllen.
Auf einem Truppenübungsplatz hat die Neue zu zeigen, was sie im Gelände kann. Nachdem die Lenkerarmaturen gelockert sind, um Schäden bei eventuellen Stürzen zu vermeiden geht's über feldwegartige Sträßchen tiefer ins Terrain. Längsrillen kleine Löcher und Wellen meistert die Suzuki noch spielerisch. Das relativ hohe Gewicht von 176 Kilogramm fällt dabei überhaupt nicht auf. Doch dann ändert sich die Situation schlagartig mit dem Auftauchen von quer zur Fahrtrichtung liegenden tiefen Panzerspuren Beim Versuch sie in Trial-Manier im Schrittempo zu durchfahren bleibt der Kolben einfach stehen.
Verantwortlich dafür ist die zu geringe Schwungmasse auf der Kurbelwelle und ein für den Einsatz im Gelände viel zu lang übersetzter erster Gang. Die RS-Version macht in diesem Punkt denselben kläglichen Eindruck. Ein großes Plus dagegen ist das ausgezeichnete Warm- und Heißstartverhalten der Suzuki. Ein bis zwei kräftige Tritte und der Einzylinder erwacht zu neuem Leben. Schweres Gelände oder gar eine Moto Cross-Strecke sollte der Dakar-Pilot mit Rücksicht auf Material und vor allem auf die eigene Gesundheit, allerdings meiden. Selbst kleine Sprünge quittiert die DR mit gnadenlosem Durchschlagen an Vorder- und Hinterhand. Auf schnellen löchrigen Abschnitten zeigt sich das Federungssystem völlig überfordert, dort schlägt die Hinterhand der Suzuki wie ein störrischer Esel um sich. Nur allzu leicht wird dabei das Hinterteil des Piloten schmerzhaft von dem Haltebügel an der Sitzbank getroffen. Da hilft weder ein Vorspannen der hinteren Feder noch das Aufpumpen der Gabel bis 0,6 bar Luftdruck.
Auch die Sitzposition setzt dem sportlichen Einsatz weitere Grenzen. Ein hoher Lenker und die zu weiche Polsterung der Sitzbank, auf welcher der Fahrer ständig nach hinten, in die weiche Sitzkuhle rutscht, verhindern, daß das Körpergewicht auf das Vorderrad verlagert werden kann, um dadurch für eine bessere Führung des Rads zu sorgen. Gegen Abend beginnt es zu Regnen. Da die serienmäßig montierten Bridgestone-Reifen selbst im trockenen Gelände zu wünschen übrig lassen, sahen die Tester sich gezwungen, die Übung im Gelände mangels Haftung an Vorder- und Hinterrad zu beenden.
Aufgefallen ist den Testern die schlechte Abdeckung des Hinterrads zum Luftfilterkasten. Der Dreck spritzt nahezu ungehindert durch zwei breite Ritzen zwischen Rahmen und Kotflügel auf die Öffnung des Luftfilterkastens und gelangt direkt auf den ansonsten gut untergebrachten Schaumstoffluftfilter. Der Luftfilter sollte nach dem Einsatz im Gelände ausgewaschen werden, möglichst mit einem unschädlichen Reinigungsmittel, und vor dem erneuten Einbau mit etwas Motoröl eingeschmiert werden, So bleibt auch der für den Motor schädliche, feinste Staub im Filter hängen.
Morgendliche Startversuche können vor allem bei Fahrern ohne Erfahrung im Ankicken von großvolumigen Einzylindern in Arbeit ausarten, Da kann es draußen noch so kalt sein, dem Suzuki-Piloten wird es warm unterm Helm. Die besten Resultate lieferte die Suzuki mit gezogenem Choke und Halbgas. Es sollte allerdings nicht vergessen werden, den Choke nach 100 bis 200 Metern Fahrt zurückzunehmen, sonst steht man an der nächsten Ampel und kann erneut mit der Startzeremonie beginnen.
Anders als im Gelände ist die Suzuki in der Stadt kaum zu schlagen. Durch die aufrechte, hohe Sitzposition hat der Fahrer jederzeit den vollen Überblick, Die schlanke Maschine läßt sich mühelos durch den Verkehr manövrieren. Auf der Autobahn fühlt sie sich dagegen nicht sonderlich wohl. Der fünfte Gang ist zu lang übersetzt. Zwar läßt sich die Tachonadel im Windschatten bis auf knappe
180 km/h schaukeln, doch bei normaler, aufrechter Sitzposition ist die Suzuki im vierten Gang fast genauso schnell wie im letzten. Beim Überfahren von Längsrillen kommt etwas Unruhe ins Fahrwerk, die aber immer kontrollierbar ist. Etwas bedenklich wird das Schaukeln erst im Sog vorausfahrender Autos und bei kräftigen Windturbulenzen.
Auf der Landstraße ist die Suzuki dann endlich in Ihrem EIement, spielerisch läßt sie sich von einer Schräglage in die andere umlegen. Der breite Lenker macht, durch die günstigen Hebelverhältnisse, schnelle, dicht aufeinanderfolgende Kurven zum Kinderspiel. Die Bremsen lassen für Enduro-Verhältnisse nichts zu wünschen übrig. Die vordere 280er-Doppelkolbenbremse verzögert auch noch nach härtester Beanspruchung im Zwei-Personen-Betrieb, ohne in ihrer Wirkung nachzulassen. Leider läßt sich der Handhebel nicht über ein Stellrad in seiner Position verstellen wie bei der Tourenversion.
Was sich im Gelände als viel zu weich herausgestellt hat, erweist sich auf der Straße als genau richtig. Die Suzuki überzeugt durch eine gelungene Fahrwerksabstimmung im Straßenbetrieb. Solo, wohlgemerkt. Für den Soziusbetrieb allerdings, zumal wenn Gepäck geladen ist, ist sie zu weich. Eine fünffache Rasterverstellung am Federbein wäre für eine einfache, schnelle Umstellung auf Zwei-Personen-Betrieb sicher sinnvoller als das System, bei dem die Federbasis über Nutmuttern mühselig verändert werden muß.
Als störend hat sich für den Sozius der Haltebügel am hinteren Ende der Bank erwiesen. Das Platzangebot auf der von Haus aus kurzen Enduro-Sitzbank wird zusätzlich eingeschränkt. Auch der Fahrer hat Probleme mit seinem Sitzplatz. Das viel zu weiche Polster der für Touren auch zu schmalen Bank ist nach spätestens 100 Kilometern durchgesessen.
Endlosen Spaß vermitteln die 650 Kubikzentimeter des Suzuki-Triebwerks. Obwohl die DR 650 R aufgrund des einzelnen Schalldämpfers ein PS gegenüber der DR 650 RS einbüßte, wirkt sie keineswegs schlapper als ihre Schwester. Die Drehfreudigkeit des Eintopfs ist unglaublich. Aufgrund dieser Drehfreudigkeit des Motors ertappt sich der Fahrer immer wieder dabei, daß die Nadel über den roten Bereich bei 7000 Umdrehungen klettert. Vibrationen werden dabei von der zahnradgetriebenen Ausgleichswelle nachhaltig unterdrückt.
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. So fordert die zackige Gangart ihren Tribut mit einem enorm hohen Spritverbrauch. Knapp acht Liter maximal stehen einem Minimalverbrauch von 4,4 Litern gegenüber, der dann ereicht wird wenn sich der Fahrer zur ganz lässigen Wandertour entscheidet und mit höchstens
4000 U/ min gemächlich durch die Lande bummelt.
So hat die DR 650 R mit dem abenteuerverheißenden Beinamen Dakar im Straßenbetrieb durchaus ihre Berechtigung, für den Ritt durch die Wüste dagegen besitzt sie kaum die geländespezifischen Qualitäten, die ihr die Erbauer andichten wollen.
Überhaupt kann man sich des Eindrucks nicht erwehren daß das Konzept für die DR 650 R nicht ganz Zu Ende gedacht ist. Angefangen bei lieblos verlegten Kabeln bis zur Verwendung billiger Anbauteile wie Stoßdämpfer und Gabel. Sogar die Halterungen der Soziusfußrasten, bei der RS aus Aluminium, wurden wieder aus gebogenem Stahlrohr gefertigt. Suzuki ist im Bestreben um einen niedrigen Anschaffungspreis etwas über das Ziel geschossen. Man sollte auch bei Suzuki wissen, daß billig und preiswert doch zwei verschiedene Dinge sind.
MEIN FAZIT
Das Ziel, sich in der Klasse der Sport-Enduros zu etablieren, hat Suzuki Im Fall der DR 650 R leider verfehlt. Sie bietet nichts, was ihre Schwester, die DR 650 RS, nicht genauso gut, wenn nicht sogar besser kann. Es ist eigentlich völlig unverständlich, warum Suzuki sich nicht ein wenig mehr ins Zeug legt, um ein wirklich geländetaugliches Motorrad auf die Räder zu stellen. Daß Suzuki über das nötige Know-how verfügt, hat das Werk mit der DR 350 S ja eindrucksvoll bewiesen. Die Riege der Geländefetischisten würde sich sicher dafür bedanken.
Gerhard Lindner
|